Ganzheitlich, oder: Wie gelingt Innovation in sozialen Organisationen?
Anhand von neun kurz gehaltenen Thesen wird im Folgenden dargelegt, wie sich innovationsfähige soziale Organisationen gestalten lassen. Dabei wird deutlich, dass die Steigerung der Innovationsfähigkeit sozialer Organisationen – wie die soziale Arbeit selbst – ganzheitlich verstanden und systematisch angegangen werden muss.
These 1: Organisationen der Sozialwirtschaft sind als komplexe soziale Systeme zu verstehen.
Statement Hendrik Epe:
Die Ablösung von an Ziel- Zweck und Mittelrationen gebundenen Denkweisen steht in Verbindung mit einem Verständnis von Organisationen als komplexen sozialen Systemen und Organisationen, die selbst Ordnung schaffen. Die kausale, plandeterministische Steuerung der Organisationen führt nicht zu den gewünschten Ergebnissen und ist insbesondere bei Prozessen des organisationalen Lernens und damit auch bei der Gestaltung von Innovation begrenzend.
Vielmehr sind Möglichkeiten zu schaffen, die zur Weiterentwicklung der Organisation beitragen. Dabei erscheinen Konzepte zur Selbstorganisation als Möglichkeit zur „Steuerung des Nicht-Steuerbaren“ (Grunwald 2015) zielführend.
PIKSL Statement:
PIKSL arbeitet aktuell daran, ein Netzwerk aus PIKSL Laboren aufzubauen. Dabei gibt es Teile, die einheitlich an den verschiedene Orten beibehalten werden sollen, wie beispielsweise das stigmatisierungsfreie Design und die Haltung, dass alle Menschen auf Augenhöhe miteinander arbeiten sollen. Es gib aber keine feste Zuteilung und einen plandeterministische Steuerung, wann, wo und wie ein PIKSL Labor zu entstehen hat oder welche Tätigkeiten tagtäglich dort geleistet werden müssen. Festgelegt ist nur das Fernziel, bis 2020 drei bis sechs neue PIKSL Labore in Deutschland entstehen zu lassen. Dabei setzt PIKSL auf Partner:innen, die den Mehrwert eines PIKSL Labors für ihre Organisation, ihre Region oder ihre Mission erkannt haben. Anschließend haben die Partner ausreichend Freiheiten, damit PIKSL als Ort für Innovation und Lernen so gestaltet werden kann, dass es eine Ort ist, an dem abseits der oftmals noch sehr an Mittelrationen gebundene Denkweise neues geschaffen werden kann.
These 2: Organisationen der Sozialwirtschaft müssen die Kommunikationen mit den für sie relevanten Umweltsphären ebenso wie mit ihren internen wie externen Anspruchsgruppen so gestalten, dass irritationsrelevante Informationen für Innovation nutzbar gemacht werden können
Statement Hendrik Epe:
Hier lassen sich bspw. über die zielführende und professionelle Nutzung sozialer Medien offene Kommunikationen mit internen und externen Anspruchsgruppen (Stakeholdern) gestalten. Gleichzeitig öffnet sich die Organisation gegenüber relevanten Umwelten.
PIKSL Statement:
Das Filtern der relevanten Informationen aus dem Rauschen aller vorhandenen Möglichkeiten lässt sich am besten steuern, wenn man sich zunächst von den Ideen und vor allem Regeln anderer löst und die eigenen Bedürfnisse und Ansprüche definiert. Zusammen mit den Zielgruppen der Organisationen kann der Sinn einer sozialen Dienstleistung festgelegt werden und anschließend wesentlich passgenauer nach „best pratices“ gesucht werden.
Kommunikation mit Zielgruppen und dem eigenen Netzwerk ist dabei weitaus sinnvoller, als das Warten auf „erzwungene Innovation“ durch eine Änderung der Gesetzeslage oder der Finanzierungsmöglichkeiten. PIKSL hat das Ziel allen Menschen gleichberechtigt Zugang zur digitalen Welt zu verschaffen und wurde bereits lang vor dem Bundesteilhabegesetz, und dem darin (endlich) festgelegtem Recht auf Zugang zu einem Computer, eröffnet. Die Refinanzierung von PIKSL ist deshalb nach wie vor eine große Herausforderung, der wird uns täglich stellen müssen. Wir sind hoffnungsvoll, dass sich die Refinanzierungsmöglichkeiten durch neue Gesetze jetzt ändern, aber auch falls es nicht so ist, bleibt PISKL unser Weg zur Verwirklichung eines Rechts auf digitale Teilhabe, was unabhängig von Gesetzen schon lange besteht.
Grundsätzlich sollten die Gesetze und Refinanzierungsmöglichkeiten den Innovationen der Sozialbranche folgen und nicht andersherum. Hierfür möchte PIKSL den nötigen Raum schaffen.
These 3: Organisationen der Sozialwirtschaft müssen ihre Finanzierung so gestalten, dass „Slack Resources“ und Anreize für innovationsorientierte Mitarbeiter:innen und Teams bereitgestellt werden können.
Statement Hendrik Epe:
Kurz zusammengefasst ist es relevant, dass soziale Organisationen Ressourcen für die Entwicklung erfolgreicher Innovationen bereitstellen müssen. Hier zeigt sich ein wesentliches Dilemma der Innovationsfähigkeit sozialwirtschaftlicher Organisationen: wenn Leistungsentgelte perfekt bemessen sind und in Forschungsprojekte nur die exakt angefallen Kosten abgerechnet werden, können strenggenommen nie „slack ressources“ anfallen. Jede Innovation, die Kosten erspart oder die Qualität über das politisch gewollte Maß hinaus ausbaut, führt theoretisch zu einer Senkung der Leitungsentgelte.
Neben dem Appell an die Kostenträger, hier verstärkt Spielräume zu ermöglichen, besteht ein Weg in diesem Zusammenhang im verstärkten Ausbau von Kooperationen zwischen sozialen und erwerbswirtschaftlichen Organisationen. Darüber hinaus sollten innovationsorientierten Mitarbeiter:innen Möglichkeiten eröffnet werden, die Umsetzung ihrer Ideen in einem geschützten Rahmen zu erproben. Konkret denkbar ist die Bildung intra- sowie interorganisationaler Netzwerke oder auch die Nutzung anderer Räumlichkeiten (bspw. Innovation Labs oder Co-Working Spaces).
PIKSL Statement:
PIKSL sieht sich als offener und inklusiver Co-Working Space an dem intra- und interorganisationale Netzwerke zusammen kommen können und durch unsere PIKSL Expert:innen mit Behinderung zusätzliche Perspektiven erhalten können, die leider noch nicht in jeder Organisation eingebracht wird. Menschen mit Behinderung kennen Barrieren im Alltag aus erster Hand und sind die Kreativ-Experten im Abbau solcher Barrieren. Bisher ist diese innovative Arbeitsweise noch nicht mit den Leistungstypen der Kostenträger deckungsgleich, aber PIKSL arbeitet an der Brückenbildung in diesem Bereich.
PIKSL arbeitet projektbasiert auch mit Wirtschaftsunternehmen zusammen, um die Menschen mit Behinderung in direkten Kontakt mit der Arbeitswelt zu bringen, aber auch, um dort das Bewusstsein für den Vorteil von einfachen und barrierefreien Services und Produkten zu steigern. Durch solche Zusammenarbeiten kann das PIKSL Labor auch vor den eigentlichen Öffnungszeiten für unsere soziale Wirkung genutzt werden und PIKSL kann je nach Projekt auch Einnahmen generieren, die für „slack ressources“ sorgen.
PIKSL hat außerdem die SKala Initiative davon überzeugen können, dass eine Skalierung von PISKL in inhaltlicher und geographischer Hinsicht eine große soziale Wirkung erzielen kann und hierfür eine Spende erhalten. Diese Spende ermöglicht den Einsatz eines Skalierungs- und Entwicklungsteams und stellt abseits der tagtäglichen Arbeit eine „slack ressource“ für Innovation dar.
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Hendrik Epe berät (soziale) Organisationen in Zeiten der Veränderung, damit sie für die Herausforderungen der heutigen Zeit gewappnet sind. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich neuer Formen der Zusammenarbeit (New Work), Innovationsentwicklung und der Digitalisierung sozialer Organisationen. Mehr Informationen finden Sie unter www.ideequadrat.org
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