PIKSL Impulse - Gastbeitrag zum Thema "Innovation und soziale Organisationen" Teil 4

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PIKSL Management

These 7: Organisationen der Sozialwirtschaft müssen Bedingungen schaffen, die die Ausbildung einer „Digitalkultur” ermöglichen.

Statement Hendrik Epe:

Die These steht in enger Verbindung zur vorhergehenden These, da Organisationskulturen nur durch die Veränderung der Organisationsstruktur, der Organisationsstrategie und der Einstellung neuer Mitarbeiter:innen beeinflusst, jedoch nicht direkt gestaltet werden können.
Nur durch die Mitarbeiter:innen, durch Verhaltenssteuerung über Vorbildwirkung, durch vermehrte Sinnstiftung sowie durch das Durchbrechen von Routinen und sinnentleerte Rituale wird es möglich, eine Kultur zu schaffen, die innovationsorientiert ist.
Durch das Bereitstellen von „Experimentierräumen“ für innovationsorientierte Mitarbeiter:innen kann eine Kultur ermöglicht werden, die „Fehler“ als Möglichkeit und Chance organisationalen Lernens begreift – wobei Experimente im Sinne von „Versuchen“ nicht scheitern können.


PIKSL Statement:

PIKSL Labore sind konkrete Beispiele für Experimentierräume für Mitarbeitende und Externe. Sie bieten außerhalb des Kerngeschäfts der Behindertenhilfe, sowohl für Klient:innen, als auch für Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, eigene kreative Impulse einzubringen, um daraus (digitale) Ideen zu realisieren. Dass Konzepte dabei verworfen werden oder auch in der oft zitierten „Schublade“ landen ist Bestandteil des gesamten, iterativen Arbeitsprozesses und ein wichtiger positiver Lernschritt, der dazu führt, dass das Handeln in den Laboren, vor dem Hintergrund der Partizipation aller Beteiligten, kontinuierlich hinterfragt wird und dass im Labor ein Wissensspeicher an innovativen Ideen entsteht, der für das gesamte Unternehmen genutzt werden kann. Wenn diese (digitalen) Ideen auf Unternehmensebene in neue Kontexte gebracht werden, können sie zur Verbesserung von Dienstleistungen und Arbeitsprozessen beitragen. Daher lautet das Credo im PIKSL Labor: Einfach machen und bitte nicht absichern! Der Experimentierraum ist freizuhalten von der Erstellung diverser Risikoanalysen oder des Einholens von Genehmigungen auf Entscheiderebene. Das PIKSL Labor Team bestärkt Klient:innen, Mitarbeiter:innen und Externe den Experimentierraum PIKSL Labor eigeninitiativ zu „bespielen“ und steht mit einem fachübergreifendes Netzwerk von Experten beratend zur Seite.

These 8: Soziale Organisationen müssen sich selbst in den Fokus von Innovation stellen und dabei die Komplexität von Innovation und die mit Innovationen einhergehenden Risiken einschätzen können.


Statement Hendrik Epe:

Das klingt zunächst etwas komisch: Sich selbst in den Fokus von Innovation stellen?
Übergreifend ist damit die Weiterentwicklung der Organisation als Ganzes angesprochen.
Zu diesem Bereich gehören Reflexionen über den Unternehmenszweck, die Prozessarchitektur, Prozessmuster oder auch über die Formen der Führung und Zusammenarbeit und damit das Management der Organisation sowie über die Kund:innen/Nutzer:innen sowie weiter interne und externe Stakeholder.

Ein Thema ist hier die bspw. die Management-Innovation. Damit ist angesprochen, wie die Führungskräfte der Organisation ihr eigenes Führungsverhalten reflektieren und entwickeln. Gerade in Zeiten der digitalen Transformation ist auch das Geschäftsmodell der Organisation selbst in den Blick zu nehmen. Als einfaches Beispiel denkbar ist bspw. die Ausweitung der Jugendberatung auf Online-Beratung. Denkbar ist aber auch, sich bspw. mit Hilfe eines Blogs einen Expertenstatus zu einem bestimmten Thema zu erarbeiten und „als Organisation“ von anderen Organisationen angefragt zu werden. Hier sind keine Grenzen gesetzt.

PIKSL Statement:

Wir diskutieren aktuell viel über den evolutionären Sinn (vgl. Reinventing Organizations von F. Laloux) von PIKSL oder Szenarien, in denen PIKSL sich auflösen kann, weil das soziale Problem der digitalen Spaltung überwunden ist. Auf dem Weg dorthin versuchen wir es zu erreichen, dass jedes Teammitglied sich bestmöglich entfalten kann und alle Entscheidungskompetenzen bei der Person liegen, die das Thema am besten beurteilen kann. Dies bedeutet nicht, dass wir jegliche Hierarchie abgeschafft hätten, es bedeutet nur, dass sie sich situativ verschiebt. Wir nehmen auch unsere eigene Skalierungsarbeit in Blick und noch während wir aktuell dabei sind für zukünftige PIKSL Partner die besten Workshops zu entwickeln denken wir darüber nach, wie diese Workshops digitalisiert und von uns und unserer Arbeit gelöst werden können (bspw. durch eine Online-Lernplattform), um wieder freie Ressourcen für Neues zu schaffen.

These 9: Soziale Organisationen müssen die Entwicklung der Mitarbeiter:innen in die Hände der Mitarbeiter:innen geben.

Statement Hendrik Epe:

Diese These steht in enger Verbindung zur These 6 – der Abschaffung nicht notwendiger Strukturen und Prozesse. So macht es keinen Sinn, dass Vorgesetzte den Mitarbeiter:innen sagen, welche Fort- und Weiterbildungen sie wahrnehmen dürfen und können. Der Aufwand, über den Sinn und Nutzen eines Barcamp-Besuchs mit der Personalabteilung zu diskutieren, ist oftmals deutlich höher, als die durch den Besuch entstehenden Kosten. Die Möglichkeit der Frustvermeidung auf Seiten der Mitarbeiter:innen ist jedoch unbezahlbar. Und dann kommt noch „Serendipity“ hinzu. „Das schöne Wort Serendipity steht dafür, dass man zufällig etwas findet, nach dem man eigentlich gar nicht gesucht hat. Es handelt sich um einen glücklichen Fund, einen Glücksfund.“(Schutkin 2015, 22). Um im Beispiel zu bleiben: Die Lernmöglichkeiten auf einem Barcamp sind deutlich diverser, als dies bei der XY-ten Weiterbildung zum Thema Kostenrechnung der Fall sein kann. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter:innen deutlich besser wissen, was zum jetzigen Zeitpunkt für sie und ihre Arbeit sinnvoll und notwendig ist. Hier ist vor allem das Vertrauen der Führungskräfte in ihre Mitarbeiter:innen gefragt. Denn um Geld geht es hier kaum.

PIKSL Statement:

PIKSL möchte ein Netzwerk aus Partner:innen aufbauen und will bewusst nicht eine Reihe von PIKSL Laboren in Deutschland eröffnen, die dann zentralistisch gesteuert werden. Hierdurch kann der globale Gedanke der digitalen Teilhabe in die Hände der lokalen Organisationen und Mitarbeitenden gelegt werden.

Ein anderes Beispiel ist, dass wir ganz konkret überlegen, wie wir unser Fortbildungsbudget auf die Mitarbeitenden aufteilen, damit es ohne Kontrolle für die sinnvollste Form der Weiterbildung eingesetzt werden kann. Diese kennt aber nur der oder die Mitarbeitende selbst. Eine Herausforderung kann es hierbei sein, wenn man anschließend bspw. gegenüber Vorgesetzten, Fördermittelgebern, oder Spender:innen argumentiert werden muss, warum eine (fach-fremde) Fortbildung genau das Richtige für den Mitarbeitenden und den Erfolg der Organisation ist.

Fazit, oder: Innovation braucht Ganzheitlichkeit


Statement Hendrik Epe:

Deutlich wird, dass es zur Steigerung der Innovationsfähigkeit einer Organisation nicht ausreicht, die Innovationsfähigkeit als strategisches Ziel im Leitbild auf der Homepage zu veröffentlichen. Das ist nett und hübscht die „Schauseite“ (vgl. bspw. (Kühl, Muster 2016, 22) der Organisation auf, hilft aber nicht.
Erfolgreiche Innovation, also die Umsetzung der Ideen, erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Kern der in der Organisation und der vor allem bei den Führungskräften vorherrschenden Glaubenssätzen: Wie gehen wir mit den Mitarbeiter:innen um? Gibt es Vertrauen? Gibt es Freiheit?

Wolf Lotter schreibt in seiner „Streitschrift für barrierefreies Denken“ (vgl. Lotter 2018), dass das Neue auf alle wartet, „die sich ins Gelingen verlieben“ (ebd., 168). Es geht darum, (auch) in Organisationen, ebenso aber auch in unserer Gesellschaft, dahin zu kommen, zu experimentieren und auszuprobieren. Dazu müssen die (organisationalen) Bedingungen geschaffen werden. Dazu bedarf es jedoch auch – ein anderes, mindestens ebenso spannendes Thema – Menschen, die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung wahrnehmen wollen (vgl. ebd. 167). Selbstbestimmung und Selbstverantwortung müssen – mit Blick auf Soziale Organisationen – viel mehr Leitstern sozialer Organisationen werden, und zwar mit Blick auf die Mitarbeiter:innen ebenso wie die Nutzer:innen.

Der Weg der PIKSL-Labore, die Nutzer:innen in das Zentrum der Aktivitäten zu stellen und, mehr noch, ihre Expertise tatsächlich in den Fokus zu rücken, ist hier wegweisend!

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Hendrik Epe berät (soziale) Organisationen in Zeiten der Veränderung, damit sie für die Herausforderungen der heutigen Zeit gewappnet sind. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich neuer Formen der Zusammenarbeit (New Work), Innovationsentwicklung und der Digitalisierung sozialer Organisationen. Mehr Informationen finden Sie unter www.ideequadrat.org

Das Bild aus der Vorschau entspricht der Quelle freepik.com

Quellenverzeichnis

Grunwald, Klaus (2015): Lebensweltorientierte und organisationssoziologische Perspektiven auf Organisation(en) als Beitrag einer kritischen Sozialen Arbeit. In: Margret Dörr, Cornelia Füssen-häuser und Heidrun Schulze (Hg.): Biografie und Lebenswelt. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 53–68.

Kühl, Stefan; Muster, Judith (2016): Organisationen gestalten. Eine kurze organisationstheore-tisch informierte Handreichung. 1. Aufl. 2016. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Lotter, Wolf (2018): Innovation. Streitschrift für barrierefreies Denken. [1. Auflage]. Hamburg: Edition Körber.

Schutkin, Andreas (2015): Das Geheimnis des Neuen: Wie Innovationen entstehen. Ein Plädoyer für mehr Abenteuer im Unternehmen. Aufl. 2015. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
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Viele der beschriebenen Aspekte basieren auf der noch unveröffentlichten Master-Thesis „Inno-vationskompetenz in Organisationen der Sozialwirtschaft. Ansätze zur Überwindung organisatio-naler Innovationsbarrieren“ (Epe, 2016).

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