PIKSL Impulse – Gastbeitrag zum Thema „Innovation und soziale Organisationen“ Teil 3

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PIKSL Management

These 4: Organisationen der Sozialwirtschaft müssen bei der Ausrichtung auf Innovation darauf achten, die Organisation selbst, die Nutzer:innen der Leistungen der Organisation sowie die Leistungsträger zu berücksichtigen.


Statement Hendrik Epe:

Dies bedeutet konkret, dass soziale Organisationen die Bedingungen berücksichtigen müssen, in denen die Organisation agiert. Soziale Organisationen müssen beginnen, neben den Kostenträgern zunehmend verstärkt die Nutzer:innen in den Fokus Ihrer Innovationsbemühungen zu stellen. Angesprochen sind damit das Leistungsdreieck der Sozialwirtschaft und die damit einhergehende Komplexität sowie das Organisationsbewusstsein der in den Organisationen agierenden Menschen (vgl. auch These 09).


PIKSL Statement:

Die wichtigsten Informationen erhält man von den Personen, die am größten von der Lösung profitieren können. PIKSL wurde deshalb von Anfang an ausgerichtet an den Bedürfnissen der Nutzer:innen. Bereits vor Öffnung des ersten Labors wurden die Einrichtung sowie die technischen Möglichkeiten von Menschen mit Behinderung mitgestaltet. Hierdurch war allen Beteiligten von Anfang an sehr klar, welche Anforderungen es an einen modernen und inklusiven Lern- und Arbeitsort gab. Diese Anforderungen ergaben sich aus den Bedarfen der Beteiligten und der Zielgruppen und waren zunächst völlig losgelöst von Bauplänen, Brandschutzverordnungen, Datenschutzgesetzen oder anderen Restriktionen diskutiert worden. Erst als die Anforderungen gemeinsam festgelegt wurden, konnten diese anschließend so in Einklang mit geltenden Gesetzen und Regelungen gebracht werden. So ergab sich eine minimale Auswirkung auf die Wirksamkeit der Lösungsidee, bzw. der Anstoß zur Entwicklung einer solchen. Es ist demnach wichtig, alle Beteiligten einzubeziehen bevor überhaupt der Raum, das Modell, der Lösungsweg, oder die Finanzierung für eine Innovation steht und den Informationen künftiger Zielgruppen die lauteste Stimme zuzugestehen. So kann das bestmögliche Ergebnis erreicht und oftmals auch unnötige Arbeit vermieden werden. Denn schnell zeigt sich in der Arbeit, dass eine Idee an dem Ort, in der Art und Weise, nicht die Bedarfe der Zielgruppe trifft und weitere Planungsschritte der formalen Prozesse ohnehin zu keinem von der Zielgruppe gewünschten Angebot führt.

These 5: Soziale Organisationen müssen eine „Innovationsstrategie” als Teil der Organisationsstrategie erarbeiten.

Statement Hendrik Epe:

Organisationsstrategien sozialer Organisationen sind vornehmlich normativ-ethisch ausgerichtet. Zur Steigerung der Innovationsfähigkeit ist es notwendig, Innovation als Teil der Organisationsstrategie zu verankern, wodurch die verfügbaren Ressourcen der Organisation im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Aktivitäten integriert werden können.

Auch wenn es gerade mit Blick auf Innovationen zu diskutieren ist, inwieweit die kreativen Prozesse in einer Strategie zu verankern sind, ermöglicht diese jedoch, das Thema „Innovation“ in der Organisation lebendig zu halten. Eine Innovationsstrategie fördert entsprechend ein „Bewusstsein“ für die Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Risiken und Grenzen von Innovation auf allen Ebenen der Organisation.

PIKSL Statement:

Als PIKSL Leitung ist Tobias Marczinzik inzwischen auch für Innovationen der Gesamtorganisation der In der Gemeinde leben gGmbH zuständig. Hieran zeigt sich, dass die Innovationskraft einer Abteilung die Gesamtstrategie der Organisation beeinflussen kann – Organisationen werden sich der Notwendigkeit für Innovation allerdings oftmals erst bewusst, wenn diese bereits stattfindet und mögliche Chancen und Möglichkeiten zu Tage treten. Das Erkennen der Notwendigkeit für Innovation führt dann zu einer Verankerung in der Unternehmensstrategie und in unserem Fall auch im Organigramm. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Innovation kann sich auch ergeben, wenn der Kostenträger, der Markt, die Nutzer:innen oder die Zielgruppen es einfordern. Oftmals ist es dann allerdings zu spät und die Nutzer:innen oder Finanzmittel wandern an die Mitbewerber, die sich bereits auf die veränderte Umwelt einstellen konnten.

These 6: Organisationen der Sozialwirtschaft müssen ihre Strukturen so gestalten, dass die gesetzlichen sowie trägerspezifischen Anforderungen erfüllt werden. Gleichzeitig sind die Strukturen hinsichtlich ihrer Existenzberechtigung zu überprüfen.

Statement Hendrik Epe:

Innovationsfähige Organisationen verfügen über möglichst wenige strukturelle Festlegungen. Insbesondere sind flache Hierarchien, kurze Kommunikationswege oder geringe prozessuale Regelungen zu nennen.
Dadurch wird es innovationsorientierten Mitarbeiter:innen ermöglicht, ihr unternehmerisches Potential im Sinne des „Intrapreneurships“ auszuloten und neue Wege zu gehen, die aufgrund struktureller Festlegungen und unternehmensinterne Regeln nicht erreichbar wären. Für soziale Organisationen ist jedoch zu beachten, dass nicht nur organisationsspezifische Anforderungen zu erfüllen sind, sondern darüber hinaus gesetzliche sowie trägerspezifische Anforderungen berücksichtigt werden müssen.
Kurz: Die Strukturen der Organisation sind auf ihre Existenzberechtigung zu prüfen. Stiften sie keinen Nutzen für die Organisation (und damit konkret für die Nutzer:innen), sind sie abzuschaffen. Sofern die Strukturen, Prozesse, Rituale und Regeln jedoch einen Nutzen stiften und standardisierbar sind, muss über ihre Digitalisierbarkeit nachgedacht werden, um Ressourcen für mehr direkte Arbeit mit den Zielgruppen freisetzen zu können (bspw. Dienstreiseregelung).

Statement PIKSL:

Wir stellen uns die Frage der Existenzberechtigung von PIKSL und kommen „leider“ immer wieder zu dem Ergebnis, dass sie aktuell noch gegeben ist. „Leider“ ist dabei das entscheidende Wort im vorangegangenen Satz, denn PIKSL hat das Ziel, allen Menschen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Welt zu verschaffen und unsere Existenzberechtigung ist somit eine soziale Ungerechtigkeit, die es noch zu lösen gilt. Dies gilt allerdings für alle sozialen Organisationen, jedoch ist es in vielen Bereichen bisher nicht gelungen, das grundsätzliche soziale Problem zu lösen, sondern lediglich etwaige Folgen abzumildern. Ein erster Schritt wäre es, wenn wir alle klar aussprechen, dass wir daran arbeiten, unsere Organisationen abzuschaffen und überflüssig zu machen. Ein weiterer Schritt liegt in der besseren Setzung von Anreizen durch Gesetze und Finanzierungsmöglichkeiten. Soziale Organisationen müssen einen Anreiz haben, kranke Menschen dauerhaft gesund zu machen, Arbeitslosen dauerhaft im ersten Arbeitsmarkt zu beschäftigen und Menschen mit Behinderung ein vollkommen selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Alle Unterstützungsleistungen die erbracht werden sollten als vorübergehende beste Handlungsalternative bis zur Lösung der sozialen Herausforderung gelten. Die Frage aber bleibt, wer hat eigentlich einen Anreiz zur Lösung der grundlegenden Herausforderung und damit verbunden, wem werden dafür „slack ressources“ zugestanden?

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Hendrik Epe berät (soziale) Organisationen in Zeiten der Veränderung, damit sie für die Herausforderungen der heutigen Zeit gewappnet sind. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich neuer Formen der Zusammenarbeit (New Work), Innovationsentwicklung und der Digitalisierung sozialer Organisationen. Mehr Informationen finden Sie unter www.ideequadrat.org

Das Bild aus der Vorschau entspricht der Quelle freepik.com

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